Zurück

Darm & Psyche – eine Beziehung mit Tiefgang

Wie das Verdauungssystem unsere Gefühlswelt beeinflusst

Dass das Wunderwerk Verdauung unseren Körper täglich mit wertvollen Nährstoffen versorgt und unseren inneren Motor am Laufen hält, wissen wir wahrscheinlich alle. Doch was hat der Darm eigentlich mit unserer Psyche zu tun und wie kann das Verdauungssystem unsere Gefühle und unser Verhalten beeinflussen?

16.8.2023 Lesezeichen setzen
Glückliche Frau frühstückt.

Wie sich Darm und Psyche gegenseitig beeinflussen, beschäftigt die Wissenschaft seit einigen Jahren.

Vom Schattendasein ins Rampenlicht: Lange Zeit bekam der Darm nicht die Aufmerksamkeit, die er eigentlich verdient. Doch das ist nun zum Glück endlich vorbei! In den letzten Jahren ist unser Verdauungssystem – allen voran der Darm und seine Mitbewohner – immer mehr in das Licht der Öffentlichkeit und den Fokus der Wissenschaft gerückt. Und dabei wurden unglaubliche und erstaunliche Entdeckungen gemacht, z.B., dass der Darm viel mehr kann als nur unsere Nahrung zu verdauen, er hat auch einen enormen Einfluss auf unsere Psyche, unsere Stimmung und unser Verhalten.

Bauch oder Kopf? Beides!

Du kennst sicher die Redensart, dass manche eher Bauch- und andere Kopfmenschen sind. Was dahintersteckt ist, dass wir entweder eher unseren Gefühlen vertrauen oder unsere rationale Vernunft den Ton angeben lassen. Doch eigentlich sind wir alle immer irgendwie beides, denn Bauch und Kopf sind im ständigen Austausch miteinander – und haben eine enge Verbindung zueinander, die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Über 100 Millionen Nervenzellen zählt das enterische Nervensystem, das für die intensive Beziehung von Bauch und Kopf verantwortlich ist. Durch den Austausch von Neurotransmittern – also Botenstoffe und Signalgeber, durch die Informationen übermittelt werden – kommuniziert der Darm und seine vielen Mitbewohner ständig mit unserer Psyche.

Bauch und Kopf sind also sozusagen keine Gegenspieler, die uns in die eine oder andere Richtung lenken, sie haben vielmehr eine tiefgehende, wechselseitige Beziehung zueinander. Doch wie genau beeinflussen sich Darm und Psyche gegenseitig?

So einzigartig wie du: dein Darmmikrobiom

„Schmetterlinge im Bauch haben“, „Aus dem Bauch heraus entscheiden“ oder „Etwas schlägt auf den Magen“ – wie diese Redewendungen zeigen, wussten wir intuitiv schon immer, dass ein enger Zusammenhang zwischen unserer Körpermitte und unserem Gefühlsleben existiert. Nun baut auch die Forschung mehr und mehr ein wissenschaftliches Gerüst um die wechselseitige Beziehung von Darm und Psyche. Und der absolute Superstar dieser erstaunlichen, neuen Erkenntnisse: unser Darmmikrobiom. In unserem Verdauungstrakt leben Billionen von Mikroorganismen, darunter Bakterien, Viren und Pilze. Dieses Darmmikrobiom ist bei jedem Menschen einzigartig und beeinflusst wichtige Stoffwechselprozesse in unserem Körper. Die Mikroorganismen schützen uns beispielsweise vor Krankheiten, indem sie das Immunsystem unterstützen.

„Der Darm ist die Wurzel der Pflanze Mensch."


Wie Darm und Psyche sich gegenseitig beeinflussen

Neuere Studien konnten nun aufdecken, dass unser einzigartiges Mikrobiom auch einen wichtigen Einfluss auf unsere Stimmung und unser Verhalten hat. Und das funktioniert so: Bestimmte Bakterienstämme in unserem Darm können unter anderem die Produktion des Glückshormons Serotonin erhöhen und dadurch positive Auswirkungen auf unsere Psyche haben. Gleichzeitig reagiert unser Darm aber auch empfindlich auf Stresshormone, die in herausfordernden Situationen ausgeschüttet werden. Wenn uns dann sozusagen „etwas auf den Magen schlägt“, verspüren wir oft ein flaues, ungutes Gefühl in unserer Körpermitte, was sich sogar zu Verdauungsbeschwerden oder Bauchschmerzen steigern kann. Hält der Stress dauerhaft an, kann sich das auch negativ auf unser Darmmikrobion auswirken, indem die Vielfalt der nützlichen Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt abnimmt.

Wie genau diese wechselseitige Beziehung von Darm und Psyche im Einzelnen funktioniert, steckt noch voller Geheimnisse. In zwei Punkten ist sich die Forschung aber ziemlich sicher: Unser Darmmikrobiom hat direkte Auswirkungen darauf, wie wir fühlen, denken und handeln. Und: Wie gut es dem eigenen Mikrobiom geht, haben wir selbst in der Hand. Denn seine Zusammensetzung und Vielfalt hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: Stress, Medikamente und unsere Ernährung.

Gesund und glücklich essen: Einfluss unserer Ernährung auf Darm und Psyche

Dass unsere Lieblingsspeisen uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern, kennen wir sicher alle. An manchen Tagen darf es nichts weniger als unser ganz persönliches Soulfood sein. Doch neben der Vorfreude auf das eigene Lieblingsessen geht der Einfluss der Ernährung auf unser Wohlbefinden tatsächlich noch viel tiefer: Was wir essen, ist ein zentrales Stellrad, um unser Darmmikrobiom vielfältig und widerstandsfähig zu halten. Und damit auch den positiven Einfluss der Mikroorganismen auf unsere Psyche zu unterstützen. Wer die nützlichen Mitbewohner im Darm fördern will, tut ihnen mit fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi oder Miso aber auch Jogurt, Kefir oder Tofu auf jeden Fall immer etwas Gutes.

Zudem enthalten ballaststoffreiche Lebensmittel, wie viele Obst- und Gemüsesorten, sogenannte Präbiotika: Stoffe, die wie wir nicht direkt für unseren Stoffwechsel verwerten können, die aber zum Beispiel Bakterien wie Laktobazillen und Bifidobakterien in unserem Darm als wertvolle Nahrung dienen. Sie stecken unter anderem in Chicorée, Zwiebeln, Knoblauch, Spargel, Getreide, Artischocken und Bananen. Und ist unser Darmmikrobion satt, gesund und zufrieden, wirkt sich das auch positiv auf unsere Psyche aus.

Darmbakterien, Psyche und Gesundheit: Neue therapeutische Ansätze

Die bedeutenden Erkenntnisse über die faszinierenden Zusammenhänge von Gefühlsleben, Ernährung und Darmmikrobiom will die medizinische Forschung natürlich nicht ungenutzt lassen. Eine Reihe neuer, therapeutischer Ansätze nutzt gezielt die wechselseitige Verbindung zwischen Darm und Psyche, um das Wohlbefinden bei psychischen Beschwerden, wie Depressionen, zu verbessern – mit erstaunlichen Ergebnissen.

Forscher der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel übertrugen Darmbakterien von gesunden Teilnehmern an Patienten mit psychischen Beschwerden zusätzlich zur herkömmlichen Therapie. Das Ergebnis: Nach einigen Wochen beobachteten die Wissenschaftler eine deutliche Verbesserung der Symptome. Und das ist noch nicht alles: Auch mit Probiotika – also Nahrungsergänzungs- oder Lebensmittel, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, wie zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen – konnte ein ähnlicher Effekt erzielt werden. Zusätzlich zur herkömmlichen Therapie verbesserte sich durch den Einsatz von Probiotika die Stimmung und das Wohlbefinden der Patienten messbar.

Eine weitere erstaunliche Entdeckung: Die Einnahme von Probiotika hatte obendrein einen normalisierenden Effekt auf die Hirnaktivität der Patienten.

Aus dem Bauch heraus: Emotionales und psychisches Wohlbefinden

Alle Studien und Forschungen der letzten Jahre zusammengefasst, hält es die Wissenschaft für sehr wahrscheinlich, dass Veränderungen des Mikrobioms langfristige Konsequenzen für unsere emotionale Gesundheit und unser psychisches Wohlbefinden haben. Bei Menschen mit psychischen Beschwerden wurden immer wieder veränderte Mikrobiome entdeckt, die bestimmte Bakterien nicht enthielten. Bakterienkulturen fehlten, die unter anderem an der Produktion wichtiger Neurotransmitter beteiligt waren und wichtig für unseren inneren Antrieb sind. Unterm Strich können wir also im Großen und Ganzen festhalten: Ist unser Darmmikrobion vielfältig und gesund, wirkt sich das auch positiv auf unsere Psyche aus. Grund genug also deinen Mitbewohnern im Darm täglich etwas Gutes zu tun. ;-)


Wie sorgst du dafür, dass deine Darmmitbewohner glücklich und zufrieden sind?